QUALLEN – Diese gallertartigen Tiere sind ohne Zweifel die unliebsamsten Bewohner der Meere. Quallen haben keinen Kopf, kein Herz, keine Knochen und kein Gehirn. Sie können ihre Identität verändern – vom Polypen zur Qualle –, ihren eigenen Körper neu erschaffen und Licht erzeugen. Ihr vollständig weicher Körper besteht zu mehr als 90 Prozent aus Wasser. Seit 600 Millionen Jahren treiben sie rhythmisch pulsierend durch die Meere ... Doch nicht nur aus der Sicht eines Meeresbiologen/einer Meeresbiologin sind Quallen erstaunliche Wesen. Sie eignen sich unserer Überzeugung nach insbesondere als Denkfigur der Gegenwart: Als ‚quasi liquide Lebensform im Liquiden‘, wie es bei Paul Valéry heißt, stellen Quallen das Verhältnis von Tier und Umwelt, von Figur und Grund auf den Kopf. Da Quallen sich sowohl geschlechtlich als auch ungeschlechtlich fortpflanzen, es männliche, weibliche Exemplare und Hermaphroditen unter ihnen gibt, werden feststehende Dualismen wie Mann/Frau als normierte, als künstliche Kategorien entlarvt. Staatsquallen, die aus Tausenden von Polypen bestehen, die allein nicht lebensfähig wären, lässt über Kategorien von Individuum und Kollektiv, von kolonialen und komplexen mehrzelligen Organismen genauer nachdenken. Die Qualle besitzt das Potential, Welt neu zu denken ...
DAS QUALLENINSTITUT versteht sich als eine elastische und diaphane Stätte zwischen Wissenschaft, Medien und Kunst, das gemeinsam mit KooperationspartnerInnen aus den Bereichen Video, Sound und Performance DIAPHANEN und FLUIDEN MEDIALEN nachspürt und diese installativ in Szene setzt.
Der erste Band der Reihe Fluid Media Studies ist ab sofort bei De Gruyter erhältlich.
Fließende Übergänge, verschwimmende Körper, sich auflösende Substanzen, verflüssigte Sprache – Fluide Mediale rücken eine bisher wenig akzentuierte Genealogie in den Fokus. Inwieweit Fragestellungen nach dem ökologischen Verbundensein von Mensch/Tier/Pflanze/Stein und Umwelt fruchtbar sind, zeigt sich daran, dass anhand des Fluiden nicht nur Begriffsgrenzen verschwimmen, sondern damit auch ein Erkenntnisgewinn zu erwarten ist, der die Fragen nach festen Begriffsaggregaten hinter sich lässt. Insbesondere der Diskurs der Ökologie in der Medienwissenschaft hat deutlich gemacht, dass das Nachdenken über Umwelten neue Denkansätze ermöglicht. Entitäten werden so verhandelbar und anders denkbar. So stellt sich die Frage nach epistemischen und (medien-)archäologischen Prozessen vollständig neu, wenn wissenschaftsgeschichtliche Fragestellungen als dynamische Denkfiguren betrachtet werden. Die Denkfigur des Fluiden führt zu kategorialen Verunsicherungen und Uneindeutigkeiten u. a. des Organischen/Anorganischen, ozeanischer Grenzdiskurse als Machtgefüge, Mensch-Tier-Pflanze-Technik-Kollaborationen, medialer Ordnungen und ästhetischer Figurationen und setzt so die beteiligten kulturtechnischen Operationen in den Fokus des Interesses.
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